De Jong war schon lange in diesem Beruf und hatte endlos viele Gesichter abfotografiert. Allein fast 7000 Mitarbeiter portraitierte er für die niederländische Firma Philips zwischen den Jahren 1995 und 2007, dass war ungefähr die Hälfte der Belegschaft damals. De Jong war sich nie ganz sicher, was ihm bei dieser Unternehmung so sehr zu schaffen machte. War er zu Anfang noch ein Meister des Small Talks, des beiläufigen Gesprächs um die zu Fotografierenden vor der Kamera locker zu machen, fiel es ihm später immer schwerer seine eingeübten Floskeln herunterzubeten. Meist hörte er sich dabei nur selber sprechen. In den angenehmeren Momenten, begann die andere Person selbst ein Gespräch, meist war es eine Frage nach der Kamera und der verwandten Technik, aber auch so etwas konnte de Jong im Schlaf beantworten. Manchmal aber sprachen die Leute ganz unvermittelt über ihr Leben, die Lust oder den Frust, den sie auf ihrer Arbeit erlebten. Da konnte sich de Jong selten zügeln. Stets seine eigene selbstständigen Tätigkeit im Blick, zählte er sich zur ambitionierteren Hälfte der Gesellschaft und hielt seinem Gegenüber gerne die vermeintliche Bequemlichkeit und Passivität seines Angestelltenverhältnisses vor. Die Fototermine bei ihm bekamen nun endgültig die Impertinenz einer inquisitorischen Befragung. 2007 verlängerte Philips dann den Auftrag mit ihm nicht weiter. Die Erleichterung darüber bestand auf beiden Seiten.
Ausschnitt aus dem Text "Der Raum zwischen dem Mitternachtshimmel" zuerst erschienen in Starship 20
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2024